22. April 2019

Rudolf Urech-Seon: Vorreiter der «Konkreten»

Rudolf Urech-Seon ge­hört zu den ei­gen­wil­ligs­ten Schweizer Künstlern des 20. Jahrhunderts, ei­ner der ers­ten, der sich der Abstraktion ver­schrieb. Im Jahr 2017 ist bei Scheidegger&Spiess die um­fang­rei­che Monografie «Tritt in die Neuzeit» er­schie­nen. Dieses ers­te um­fas­sen­de Buch über Leben und Schaffen von Rudolf Urech-Seon ver­folgt die Genese des Gesamtwerks vom ge­gen­ständ­li­chen Abbilden bis zu ei­ner kon­stru­ier­ten, auf we­ni­ge Formen be­schränk­ten Darstellungsweise und nä­hert sich dem viel­sei­ti­gen Œuvre auch durch sorg­fäl­ti­ge Auswahl und Platzierung der wie­der­ge­ge­be­nen Bilder und an­de­re be­son­de­re Buchgestaltungselemente.

Von der Abstraktion zu der Ungegenständlichkeit
Ende der 1920er-Jahre ent­wi­ckelt der Rudolf Urech-Seon (1876–1959) eine Formensprache, in der er sei­ne na­tür­li­che Umgebung in re­du­zie­ren­de Flächen und Linien auf­teilt. Damit ge­hört der Maler und Zeichner zu den ers­ten Schweizer Künstlern, die sich der Abstraktion ver­schrei­ben. Er ver­ar­bei­tet in sei­nem Werk ins­be­son­de­re die Landschaft rund um sein Geburtsdorf Seon, Kanton Aargau. Um sich vom gleich­na­mi­gen Grafiker Rudolf Urech (1888–1951) ab­zu­he­ben, fügt er sei­nem Namen den Zusatz «-Seon» hin­zu. Die to­po­gra­fi­schen Eigentümlichkeiten des Seetals, die lo­ka­le Pflanzenwelt und die Industrialisierung bil­den Hauptelemente des Werkes und wer­den von Urech-Seon im­mer wie­der neu in­ter­pre­tiert und ab­ge­bil­det. Sein Schaffen ist die be­ein­dru­cken­de Metamorphose ei­nes stil­len Arbeiters, wel­cher sein Geburtsdorf im Herzen der Schweiz nie für län­ge­re Zeit ver­lässt und trotz­dem an wich­ti­gen Ausstellungen teil­nimmt – un­ter an­de­rem am Salon des Réalités Nouvelles (Paris) oder in der Galerie Des Eaux-Vives (Zürich) .

Objekt kau­fen:

Wald

Wald

Rudolf Urech-Seon, 1936

Nach ei­ner Ausbildung zum Flachmaler ist die ers­te Schaffensphase der kon­kre­ten Landschaftsmalerei ge­wid­met – un­ter dem Einfluss des deut­schen Impressionismus und in­spi­riert durch Ferdinand Hodler (1853–1918). Im Laufe der 1920er-Jahre kon­zen­triert sich Urech-Seon in sei­nen Kompositionen auf kon­struk­ti­ve Elemente der Bildgegenstände wie Linie, Fläche und Rhythmus. Geprägt durch das Geschehen des Zweiten Weltkrieges fin­den kür­zel­haf­te Bildzeichen und amor­phe Figuren in Rot und Braun Einzug in das Werk. Ab 1945 ent­ste­hen ma­le­ri­sche Arrangements mit geo­me­tri­schen, rund ge­schwun­ge­nen Formen und in leuch­ten­den Farben. Das Alterswerk bil­det den Höhepunkt sei­nes Schaffens und ist ge­kenn­zeich­net durch ein stark re­du­zier­tes Farbenrepertoire und eine re­pe­ti­tiv ein­ge­setz­te Formensprache.

Objekt kau­fen:

Comp. 24

Comp. 24

Rudolf Urech-Seon, 1946

Eletto be­tei­ligt sich an der ers­ten um­fas­sen­den Monografie
Im Jahr 2017 ist bei Scheidegger&Spiess die um­fang­rei­che Monografie «Tritt in die Neuzeit» er­schie­nen. Das Buch wird da­mit fast 60 Jahre nach dem Tod Rudolf Urech-Seons (1876 – 1959) her­aus­ge­ge­ben. In den ver­gan­ge­nen Jahren ha­ben Christian Herren und Roman Sterchi, bei­de von Eletto, den Nachlass des Schweizer Künstlers im Auftrag des Kurators des Nachlasses, Daniel Gutscher, auf­ge­ar­bei­tet und in Zusammenarbeit mit dem Grafiker Anatole Comte das in­halt­li­che und gra­fi­sche Konzept des Buches ent­wor­fen. Melina Bärtschi, eben­falls von Eletto, zeich­net sich für den per­fek­ten Satz, die Bildbearbeitung und die Reinzeichnung des gra­fi­schen Werkes ver­ant­wort­lich. Die Mitglieder des jun­gen Buch-Teams wur­den Anfang der 1990er-Jahre ge­bo­ren, Urech-Seon da­tier­te sein letz­tes Werk («Composition», 1959) in das Jahr 1989 und ver­merk­te in sei­nem Notizbuch: «Man malt doch nicht nur für die­se kur­ze Spanne Zeit, Jahrtausende sind vor­über­ge­gan­gen.» – Die vor­da­tier­te «Composition» er­in­nert an ein Werk aus dem Jahr 1957, wel­ches den Titel «Tritt in die Neuzeit» trägt.

Beide Werke wei­sen flä­chig­mo­no­chrom auf­ge­tra­ge­ne Formen in re­du­zier­ter Farbpalette auf. Ein we­sent­li­cher Unterschied ist eine Öffnung auf gel­bem Grund, wel­che nur auf dem letz­ten Werk auf­taucht. – Vielleicht ist es eine Einladung an «neu­zeit­li­che», spä­te­re Generationen, die sich dem viel­sei­ti­gen Werk des Künstlers und vor al­lem des­sen Grundlagen öff­nen sol­len? Rudolf Urech-Seon, der sei­nen Geburtsort Seon nie für län­ge­re Zeit ver­liess, be­schäf­tig­te die Suche nach dem idea­len Kunstwerk. Er fand Antworten ei­ner­seits in der Anwendung von ma­the­ma­tisch-geo­me­tri­schen Gestaltungsprinzipien und an­de­rer­seits in der Natur. – Der Künstler lehrt uns, dass die vi­su­el­le Erscheinung der Dinge im­mer ein Momentum dar­stellt und stets von Neuem be­trach­tet wer­den kann, un­ab­hän­gig von der Zeit. Die Genese im Werk von Urech-Seon führt vom ge­gen­ständ­li­chen Abbilden bis zu ei­ner kon­stru­ier­ten, auf we­ni­ge Formen be­schränk­ten Darstellungsweise.

Im Buch wird ver­sucht, dem viel­sei­ti­gen Werk des Künstlers so­wohl in der Auswahl und Platzierung der Werke als auch durch be­stimm­te Gestaltungselemente nä­her­zu­kom­men. Die Weiterentwicklung des spät­mit­tel­al­ter­li­chen «Villard’schen Teilungskanons» durch Urech-Seon wird in der sche­ma­ti­schen Buchgestaltung an­ge­wen­det. Die ab­ge­bil­de­ten Werke – vie­le da­von wer­den zum ers­ten Mal pu­bli­ziert – prä­sen­tie­ren sich ei­ner­seits in chro­no­lo­gi­scher Reihenfolge und an­de­rer­seits in the­ma­tisch-for­ma­lis­ti­schen Gruppierungen. Den Rahmen dazu bil­det die Epoche, in wel­cher der Künstler leb­te und die sich auch im ty­po­gra­fi­schen Konzept von Anatole Comte nie­der­schlägt: Initiallettern in Anlehnung an die Schrift «neue Schwabacher»n(1876) und die «Neuzeit» (1959) für den Fliesstext. Diese Epoche soll aber kei­nes­falls dazu ver­lei­ten, das Werk des Künstlers in ei­ner iso­lier­ten Zeitspanne zu se­hen. Urech-Seon, Gegner epi­sodi­scher Zuschreibungen, lös­te sei­ne fu­tu­ris­ti­sche Ligatur zum Signieren der Bilder ab den 1930er- Jahren nicht zu­fäl­lig durch eine Unterschrift in der «ver­al­te­ten» Sütterlin-Schrift ab… In der Publikation fin­den sich Textbeiträgen von Christian Herren, Daniel Gutscher, Stephan Kunz, Matthias Dieterle und Philipp Emch.

Weitere Objekte, die zu die­ser Geschichte pas­sen:

Comp. 24

Comp. 24

Rudolf Urech-Seon, 1946

Komposition

Komposition

Rudolf Urech-Seon, 1952

«Composition»

«Composition»

Rudolf Urech-Seon, um 1950

Masken

Masken

Rudolf Urech-Seon, 1943

Wald

Wald

Rudolf Urech-Seon, 1936