22. Juni 2019

17 Versionen eines Klassikers: Ein Guide durch die Geschichte

Der «Landi-Stuhl» von Hans Coray ist ein Klassiker der schwei­zer Designgeschichte und gilt als Feuertaufe der mo­der­nen und in­dus­tri­el­len Möbelproduktion. Dass der Stuhl kom­plett aus Aluminium ge­fer­tigt wer­den soll­te, lag nicht nur an dar­an, dass sich die­ses Metall für die Umsetzung ei­nes neu­ar­ti­gen Designs auf­dräng­te, son­dern auch dar­an, dass Aluminium als ty­pi­sches Schweizer Metall galt. Der Klassiker ist in den be­deu­tends­ten Design-Museen ver­tre­ten, so im Museum of Modern Art in New York oder im Vitra Design Museum in Weil am Rhein. Die Schweizerische Post hat den Landi-Stuhl 2004 als Motiv der 1-Franken-Briefmarke in ihre Serie zum Thema Schweizer Design auf­ge­nom­men (ne­ben der Schweizer Bahnhofsuhr, dem Reissverschluss «RiRi» und dem Sparschäler «Rex»). Der «Landi-Stuhl» weist eine be­weg­te, über 80-jäh­ri­ge Produktionsgeschichte auf und zählt mitt­ler­wei­le sieb­zehn un­ter­schied­li­che Versionen. Eletto bie­tet zur­zeit ein sel­te­nes Exemplar aus dem Jahr 1939 an und nimmt die­se Gelegenheit zum Anlass ei­nen kur­zes Guide für Sammlerinnen und Sammler die­ses ge­schichts­träch­ti­gen Möbels zu lie­fern.

Ein Klassiker schwei­ze­ri­scher Designgeschichte
Der «Landi-Stuhl» ist ein Stuhl aus ge­här­te­tem Aluminium, der von Hans Coray (1906–1991) für die Schweizerische Landesausstellung («Landi») 1939 ent­wor­fen wur­de. Der Schalenstuhl gilt als Schweizer Designklassiker und ge­hört zu den meist­ver­kauf­ten Freilandstühlen des 20. Jahrhunderts.

Die Frage nach dem Original
Seit 2014 wird der «Landi-Stuhl» von Vitra pro­du­ziert. Im Vorfeld der Reproduktion hat das Entwicklungsteam alle be­kann­ten Versionen des Klassikers in akri­bi­scher Arbeit ver­mes­sen, Produktionsmermale und Unterschiede do­ku­men­tiert. Gemäss der fun­dier­ten Studie von Vitra kön­nen sieb­zehn Versionen des le­gen­dä­ren Gartenmöbels aus­ge­macht wer­den. Non cha­lant vom «Orginal» zu re­den, ist also wa­ge­mu­tig. Wenn eine der sieb­zehn Versionen als «Orginal» be­zeich­net wer­den kann, dann jene die ab 1938 pro­du­ziert wur­de und 1939 in ei­ner Auflage von 1500 Stück an der Landesausstellung in Zürich selbst im Einsatz war. Das Ur-Modell also.

Produktionsmerkmale und Unterschiede
Die ver­schie­de­nen Modelle des Stuhls sind an di­ver­se Gestaltungs- und Produktionsmerkmalen zu un­ter­schei­den. Die meis­ten da­von wur­den im Verlauf der Herstellungsgeschichte mehr­fach an­ge­passt. So wur­de zu­guns­ten der Stabilität bei­spiels­wei­se die Dichte der ge­stanz­ten Löcher, die für den Stuhl aus­zeich­nend sind, ab den 1950er-Jahren von 7 x 7 auf 6 x 5 re­du­ziert. Die Modelle der Vorjahre wei­sen da­her nicht sel­ten Risse an den Seiten beim Übergang von Sitzfläche zu Lehne auf. Weitere Merkmale sind:

 

  • Eingestanztes Logo: «Metalwarenfabrik Wädenswil», «MEWA», «H Coray», «Metalwarenfabrik Wädenswil Swiss Made», «2070 Spartana» oder kei­nes
  • Beschriftung auf der Querverstrebung der Sitzfläche hin­ten: «Switzerland», «Swiss Design by H. Coray», «Hotel Bellevue Zollikon» oder kei­ne
  • Anzahl Nieten auf der Sitzfläche: nur vor­ne, nur hin­ten, hin­ten und vor­ne oder – wie bei der Erstauflage von 1938 – kei­ne Nieten
  • Anzahl ge­stanz­ter Löcher in Sitz und Lehne, wo­bei die Lehne mass­ge­bend ist: 7 x 7 oder 6 x 5
  • Genauigkeit der ge­stanz­ten Löcher: Bei den frü­hen Exemplaren sprin­gen die ein­zeln aus­ge­stanz­ten Löcher, die dem Alublech Stabilität ver­lei­hen, aus der Reihe, sind also – um we­ni­ge Millimeter – nicht «in­dus­tri­ell ge­nau». Erst spä­ter stanz­te die Metallwarenfabrik die Löcher mit ei­nem ent­spre­chen­den Werkzeug in ei­ner re­gel­mäs­si­gen Reihe.

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«Landi-Stuhl»

«Landi-Stuhl»

Hans Coray, wohl 1939

Der «Landi-Stuhl» auf eletto.ch, wohl von 1939
Die um­fang­rei­che von Vitra durch­ge­führ­te Analyse al­ler 17 Modelle und die für die Bestimmung der Herstellungszeit als mass­ge­bend de­fi­nier­ten Merkmale, las­sen dar­auf schlies­sen, dass der hier an­ge­bo­te­ne Stuhl aus der Zeit von 1939 stammt. Die hier an­ge­boe­te­ne Ausfühung zählt 7 x 7 Löcher, wie es bis in die 1950-Jahre üb­lich war. Die Lehne ist mit «Metalwarenfabrik Wädenswil» be­schrif­tet, die Querverstrebung der Sitzfläcke hin­ten ist mit «Switzerland» ge­kenn­zeich­net und die Sitzfläche weist Nieten nur im hin­te­ren Teil auf, vor­ne kei­ne. Die Gleiter kön­nen als weiss be­trach­tet wer­den. Die Kombination die­ser bei­spiel­haf­ten Merkmale kommt nur bei den Modellen von 1939 oder 1950 vor. Dass es sich bei den bei­den vor­lie­gen­den Stühlen um das Modell von 1939 han­delt und nicht um je­nes von 1950 spricht letzt­lich, dass die ge­stanz­ten Löcher eben­je­ne Ungenauigkeit auf­wei­sen, wel­che nur bei frü­hen Modellen aus­zu­ma­chen ist. Und wie es die Wittwe des Urhebers be­schriebt, ist es schluss­end­lich auch ein Gefühl: Die Patina und die Aura des Stuhls lässt auf eine lan­ge Geschichte schlies­sen.