16. März 2019

Der deutsche «Albert Anker»

Schon zu Lebzeiten wird Albert Anker, selbst Vater von sechs Kindern, ge­schätzt für sei­ne psy­cho­lo­gi­sie­ren­den Portraits von Jungen und Mädchen. In sei­nen Bildern spie­gelt sich oft­mals die Überzeugung des Künstlers, dass die schu­li­sche Bildung das wich­tigs­te Lebenselixier für Kinder sei. Der deut­sche Maler Franz Thöne ver­folg­te ei­nen ähn­li­chen Ansatz.

Das Gemälde «Schreibender Knabe» von Albert Anker ist am 21. Juni 2013 für über zwei Millionen Schweizerfranken ver­stei­gert wor­den. Die Malerei zeigt ei­nen etwa acht­jäh­ri­gen Jungen, wel­cher sich im Lesen und Schreiben übt. Unter dem Gesichtspunkt des päd­ago­gi­schen Wandels im 19. Jahrhundert ist die Genreszene von be­son­de­rem Interesse: Die Kleidung des Knaben und vor al­lem das staf­fie­ren­de Holzmobiliar las­sen auf ein bäu­er­li­ches Milieu schlies­sen, wel­ches eine ob­li­ga­to­ri­sche Schulbildung erst seit dem Jahr 1874 kennt. Als hu­ma­nis­tisch auf­ge­schlos­se­ne Persönlichkeit ver­such­te der Seeländer Maler, auf die Wichtigkeit die­ser ge­sell­schaft­li­chen Neuerung hin­zu­wei­sen. Indem der Künstler Kinder und Jugendliche als leb­haf­te, ler­nen­de Individuen dar­stellt, weist er auf die neu ein­ge­führ­te, neun­jäh­ri­ge ob­li­ga­to­ri­sche Schulzeit hin, wel­che den jun­gen Erwachsenen eine brei­te be­ruf­li­che Perspektive er­mög­licht.

1883, im Entstehungsjahr des «schrei­ben­den Knaben» von Albert Anker, ent­steht in Süddeutschland das Ölbild «Kennst du ihn?».  Obwohl bei flüch­ti­ger Betrachtung die Arbeit durch­aus auch Anker zu­ge­schrie­ben wer­den könn­te, ist der Autor die­ses Werkes Franz Thöne. 20 Jahre nach Albert Anker ge­bo­ren –1851 – be­schäf­tig­te sich der Genre- und Porträtmaler eben­falls mit Kinderdarstellungen. Das hier an­ge­bo­te­ne Gemälde des Künstlers ge­hört zu sei­nen Hauptwerken – nebst der hoch­ste­hen­den ma­le­ri­schen Qualität ver­blüfft das Werk vor al­lem mit dem Einbezug ei­ner iro­ni­sie­ren­den, zeit­lo­sen Karikatur auf der Schiefertafel des Schuljungen. Das Gemälde von Franz Thöne stellt – ganz im Sinne Albert Ankers – eben­falls ei­nen Knaben dar, wel­cher am Schulpult eine Ausbildung ge­niesst. In dem der ver­schmitzt lä­cheln­de Bub durch die ka­ri­kie­ren­den Abbildung den Betrachter rhe­to­ri­sche fragt «Kennst du ihn?» [den Lehrer], geht Thöne noch ei­nen Schritt wei­ter im Bezug auf die Wahrnehmung von Kindern als ei­gen­stän­di­ge, den­ken­de Individuen. Die hu­mor­vol­le, nar­ra­ti­ve Komposition und der Einbezug ei­nes «Trompe l’oeil» (Schiefertafel) las­sen zu­dem auf eine Faszination Franz Tönes für die nie­der­län­di­sche Malerei schlies­sen.

Objekt kau­fen:

«Kennst du ihn?»

«Kennst du ihn?»

Franz Seraph Thöne, 1883

Da das Werk von Thöne heu­te we­ni­ger be­kannt ist und vie­le Kinderbildnisse des Malers als ver­schol­len gel­ten, kann Eletto den Knaben mit der Karikatur be­reits für CHF 4’500.00 an­bie­ten. Ausgebildet in Düsseldorf, er­ziel­te Thöne ers­te Erfolge mit Genremalereien, wel­che den Alltag ein­fa­cher Leute dar­stel­len, eine be­son­de­re Stellung neh­men da­bei die Kinderbildnisse eine. Zudem sind etwa 80 Auftragsporträts be­kannt, wel­che der Maler ab der Mitte der 1880er Jahre um­setz­te. Die Gemälde Thönes sind häu­fig gut durch­kom­po­niert, bei den Porträts bil­den bil­den die Augen das Zentrum. Noch zu Lebzeiten ver­kauf­te Thöne sei­ne Werke bis nach England oder Amerika. Die deut­sche Kunsthistorikerin Dr. Beate Wittig ver­gleicht die Werke des Künstlers mit fo­to­gra­fi­schen Schnappschüssen: «Die si­che­re Erfassung des flüch­ti­gen Augenblicks durch den Maler las­sen sei­ne Bilder wie fo­to­gra­phi­sche Schnappschüsse er­schei­nen. Thöne hat im­mer ver­sucht, den Menschen zu ent­de­cken. Sein an­ge­bo­re­ner Künstlersinn, ver­eint mit Zähigkeit, Fleis und Ausdauer lies­sen Thöne man­chen Zeitgenossen über­flü­geln und zu ei­nem er­folg­rei­chen, weil fein­sin­ni­gen, Kunstmaler sei­ner Zeit wer­den.». Franz Thöne starb 22. Juni 1906 in Düsseldorf.

Alle Objekte, die zu die­ser Geschichte pas­sen:

«Kennst du ihn?»

«Kennst du ihn?»

Franz Seraph Thöne, 1883