21. Mai 2019

Verbotene Kritik

Geboren 1931 in Strassburg und in wohl­be­hü­ten­der Umgebung in Colmar auf­ge­wach­sen, bricht der Künstler Tomi Ungerer 1936 mit nur 60 Dollar in der Tasche in die USA auf. Dort kommt er bald in den Kontakt mit der er­folg­rei­chen Kunstszene, wel­che Ungerer mit sei­ner sprach­li­chen Vielseitigkeit und zeich­ne­ri­schem Talent über­zeugt. Für Stanley Kubrick zeich­net der Künstler Filmplakate und sehr bald schliesst er sich ei­ner wil­den Künstlergruppe um Philip Roth und Saul Bellow an. Später schaff­te der Künstler wich­ti­ge Kinderbücher und en­ga­gier­te sich als li­be­ra­ler Aufklärer. Seine Werke wur­den in über 100 Museen ge­zeigt. – Im Februar 2019 ist Tomi Ungerer mit 86 Jahren ver­stor­ben. In die­ser Geschichte stel­len wir ei­nes sei­ner wich­tigs­ten Mappenwerke vor.

Potenzwahn, Sexismus und Gier: Im hier an­ge­bo­te­nen Mappenwerk «Fornicon» scho­ckiert Tomi Ungerer mit 60 Karikaturen, wel­che die New Yorker Schickeria der 1960er-Jahr aufs Korn neh­men soll­ten. Dargestellt wer­den se­xu­el­le Praktiken, wel­che auf dem Prinzip der Übertreibung und dem Übermass ei­ner noch nie ge­se­he­nen Technisierung und Mechanisierung se­xu­el­ler Wünsche ba­sie­ren. Der Band wur­de Grossbritannien ver­bo­ten, und in den USA, wo Ungerer leb­te, eck­te er in ei­ner weit­ge­hend prü­den Gesellschaft eben­falls an, wohl auch, weil man sich von ihm teil­wei­se ka­ri­kiert fühl­te.

Anfang der 1970er-Jahre ver­liässt Tomi Ungerer die USA in Richtung Kanada. Dort en­ga­giert sich der Künstler ins­be­sond­re als Zeichner von Kinderbüchern, wo­mit er sich be­reits in den USA ei­nen Namen ge­macht hat­te. Die sti­lis­ti­sche Direktheit über­zeugt das Publikum und Ungerer er­hält im­mer neue Aufträge. Mit dem er­schei­nen der hier an­ge­bo­te­nen «Fornicon» (1969/70)  im sub­ver­si­ven «Zweitausendeins Verlag», schreibt Ungerer die Tradition des ame­ri­ka­ni­schen Underground-Comics fort (z. Bsp. Robert Crumb: «Fritz The Cat“) und lo­tet die Grenzen zwi­schen Pornografie und Kunst neu aus. Der deut­sche Journalist Harry Nutt schreibt dazu: «Was im­mer Tomi Ungerer spä­ter als Zeichner, Illustrator und Künstler in Angriff nahm: sein Blick auf die Welt und die bis­wei­len ob­ses­si­ve Auseinandersetzung der Menschen mit ihr war be­reits ge­tränkt in die Tinktur ei­nes iro­ni­schen Gegengifts». Der Künstler be­schrieb das Anliegen der Zeichnungen als Versuch der Entlarvung – er wol­le zei­gen, «was für eine Hölle es sein kann, wenn sich die Menschen vom Sex ab­hän­gig ma­chen»

Nach Angaben sei­ner Internetseite ver­öf­fent­lich­te Tomi Ungerer mehr als 140 Bücher, die in 28 Sprachen über­setzt wur­den. Zu sei­nen po­pu­lärs­ten Werken ge­hö­ren «Der Mondmann» und «Die drei Räuber».