Verbotene Kritik
Geboren 1931 in Strassburg und in wohlbehütender Umgebung in Colmar aufgewachsen, bricht der Künstler Tomi Ungerer 1936 mit nur 60 Dollar in der Tasche in die USA auf. Dort kommt er bald in den Kontakt mit der erfolgreichen Kunstszene, welche Ungerer mit seiner sprachlichen Vielseitigkeit und zeichnerischem Talent überzeugt. Für Stanley Kubrick zeichnet der Künstler Filmplakate und sehr bald schliesst er sich einer wilden Künstlergruppe um Philip Roth und Saul Bellow an. Später schaffte der Künstler wichtige Kinderbücher und engagierte sich als liberaler Aufklärer. Seine Werke wurden in über 100 Museen gezeigt. – Im Februar 2019 ist Tomi Ungerer mit 86 Jahren verstorben. In dieser Geschichte stellen wir eines seiner wichtigsten Mappenwerke vor.
Potenzwahn, Sexismus und Gier: Im hier angebotenen Mappenwerk «Fornicon» schockiert Tomi Ungerer mit 60 Karikaturen, welche die New Yorker Schickeria der 1960er-Jahr aufs Korn nehmen sollten. Dargestellt werden sexuelle Praktiken, welche auf dem Prinzip der Übertreibung und dem Übermass einer noch nie gesehenen Technisierung und Mechanisierung sexueller Wünsche basieren. Der Band wurde Grossbritannien verboten, und in den USA, wo Ungerer lebte, eckte er in einer weitgehend prüden Gesellschaft ebenfalls an, wohl auch, weil man sich von ihm teilweise karikiert fühlte.
Anfang der 1970er-Jahre verliässt Tomi Ungerer die USA in Richtung Kanada. Dort engagiert sich der Künstler insbesondre als Zeichner von Kinderbüchern, womit er sich bereits in den USA einen Namen gemacht hatte. Die stilistische Direktheit überzeugt das Publikum und Ungerer erhält immer neue Aufträge. Mit dem erscheinen der hier angebotenen «Fornicon» (1969/70) im subversiven «Zweitausendeins Verlag», schreibt Ungerer die Tradition des amerikanischen Underground-Comics fort (z. Bsp. Robert Crumb: «Fritz The Cat“) und lotet die Grenzen zwischen Pornografie und Kunst neu aus. Der deutsche Journalist Harry Nutt schreibt dazu: «Was immer Tomi Ungerer später als Zeichner, Illustrator und Künstler in Angriff nahm: sein Blick auf die Welt und die bisweilen obsessive Auseinandersetzung der Menschen mit ihr war bereits getränkt in die Tinktur eines ironischen Gegengifts». Der Künstler beschrieb das Anliegen der Zeichnungen als Versuch der Entlarvung – er wolle zeigen, «was für eine Hölle es sein kann, wenn sich die Menschen vom Sex abhängig machen»
Nach Angaben seiner Internetseite veröffentlichte Tomi Ungerer mehr als 140 Bücher, die in 28 Sprachen übersetzt wurden. Zu seinen populärsten Werken gehören «Der Mondmann» und «Die drei Räuber».