25. Februar 2019

Im Flugzeug mit Saint-Exupéry

Kurz vor dem Ausbruch des 2. Weltkrieges, 1939, sit­zen zwei be­deu­ten­de Persönlichkeiten ne­ben­ein­an­der in ei­nem Militärflugzeug: Am Steuerknüppel der Pilot und spä­te­re Verfasser des «Kleinen Prinzen», Antoine de Saint-Exupéry, und da­ne­ben Charles Lapique, da­mals Wissenschaftler und spä­ter welt­be­rühm­ter Maler. Auf dem ge­mein­sa­men Flug soll­te der jun­ge Künstler Charles Lapicque – für den Krieg mo­bi­li­siert am Nationalen Zentrum für wis­sen­schaft­li­che Forschung in Toulouse – Studien zur Farbwirkung beim Nachtflug er­stel­len und Tarnmuster ent­wer­fen. Seine da­mals er­ar­bei­te­ten Theorien zur Farbwirkung prä­gen die mo­der­ne Malerei Frankreichs.

Der Lebenslauf von Charles Lapicque, ge­bo­ren 1898 und 90 Jahre spä­ter ver­stor­ben, ist sehr aus­ser­ge­wöhn­lich für ei­nen Künstler der da­ma­li­gen Zeit. Als Adoptivsohn ei­nes be­rühm­ten Wissenschaftlers wächst er in Paimpol, ei­nem Küstenstädtchen in der Bretagne, wohl­be­hü­tet auf. Obwohl er schon 1919 in Paris die ob­li­ga­to­ri­schen Schulen be­sucht und bis zu sei­nem Tod in der Seine-Stadt bleibt, kehrt er jähr­lich ans Meer zu­rück. Ausgebildet wird Charles Lapique als Elektroingenieur, da­ne­ben be­ginnt er au­to­di­dak­tisch zu ma­len. Ermutigt von sei­ner Frau, ar­bei­tet er im­mer mehr an sei­nem künst­le­ri­schen Werk und wird schliess­lich von Jeanne Bucher, der be­rühm­ten Pariser Galeristin ent­deckt und aus­ge­stellt. Überwältigt vom Verkaufserfolg an­läss­lich der ers­ten Ausstellung, gibt er sei­nen Beruf als Physiker am Ende der 1930er-Jahre auf. Sein Schwiegervater, der Nobelpreisträger Jean Perrin, über­zeugt den Maler je­doch da­von, eine Dissertation im Bereich Physik zu ver­fas­sen: Die Arbeit ent­steht tat­säch­lich und Charles Lapique ent­schei­det sich, Kunst und Wissenschaft zu ver­bin­den. Schliesslich un­ter­sucht er im Rahmen der Arbeit die Funktionsweisen des mensch­li­chen Auges im Bezug auf Farben. Im Zentrum steht die Entwicklung von Nachtsichtgeräten.

Im Krieg ist der Maler da­für ver­ant­wort­lich, Tarnmuster zu ent­wer­fen und die Farbwirkung aus der Flugzeugperspektive zu un­ter­su­chen. Pilot wäh­rend die­ser Untersuchungsflüge ist Antoine de Saint-Exupéry, der Schöpfer der welt­weit be­kann­ten Geschichte «Der klei­ne Prinz». Nach dem Krieg wid­met sich der Künstler aus­schliess­lich der Malerei. 1953 er­hält der Künstler den «Prix Raoul Dufy» auf der Biennale in Venedig; 1979 wird er mit dem «Grand prix na­tio­nal de pein­ture» aus­ge­zeich­net. Bis 1978 sei­ne Zeichnungen schliess­lich im Centre Pompidou aus­ge­stellt wer­den.

Was in der zeit­ge­nös­si­schen Malerei heu­te oft­mals als selbst­ver­ständ­lich er­ach­tet wird, setzt Lapique be­reits vor sieb­zig Jahren um: Der Künstler er­ach­tet die Malerei als Fortsetzung der Wissenschaft. Inspiriert durch sei­ne Kenntnisse als Physiker küm­mert sich Lapicque um Messverfahren des sicht­ba­ren Lichts und Farbwahrnehmung, um die Lichtdurchlässigkeit von Blau- und Rot-Tönen oder um die Problematik von Nah- und Fernsicht. Dabei sind sei­ne Stile stets ei­nem Wandel un­ter­wor­fen.

Die Abbildungen in die­ser Geschichte fas­sen das Interessenspektrum des Künstlers zu­sam­men: Von ei­nem Gemälde im Stile des Tachismus aus den 50er-Jahren über zeit­ge­nös­sisch an­mu­ten­de Camouflage-Muster beim «Lion dans le dé­sert» bis hin zu der iro­ni­sie­ren­den Arbeit «Sorcellerie».

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«Sorcellerie»

«Sorcellerie»

Charles Lapicque, 1973