Im Flugzeug mit Saint-Exupéry
Kurz vor dem Ausbruch des 2. Weltkrieges, 1939, sitzen zwei bedeutende Persönlichkeiten nebeneinander in einem Militärflugzeug: Am Steuerknüppel der Pilot und spätere Verfasser des «Kleinen Prinzen», Antoine de Saint-Exupéry, und daneben Charles Lapique, damals Wissenschaftler und später weltberühmter Maler. Auf dem gemeinsamen Flug sollte der junge Künstler Charles Lapicque – für den Krieg mobilisiert am Nationalen Zentrum für wissenschaftliche Forschung in Toulouse – Studien zur Farbwirkung beim Nachtflug erstellen und Tarnmuster entwerfen. Seine damals erarbeiteten Theorien zur Farbwirkung prägen die moderne Malerei Frankreichs.
Der Lebenslauf von Charles Lapicque, geboren 1898 und 90 Jahre später verstorben, ist sehr aussergewöhnlich für einen Künstler der damaligen Zeit. Als Adoptivsohn eines berühmten Wissenschaftlers wächst er in Paimpol, einem Küstenstädtchen in der Bretagne, wohlbehütet auf. Obwohl er schon 1919 in Paris die obligatorischen Schulen besucht und bis zu seinem Tod in der Seine-Stadt bleibt, kehrt er jährlich ans Meer zurück. Ausgebildet wird Charles Lapique als Elektroingenieur, daneben beginnt er autodidaktisch zu malen. Ermutigt von seiner Frau, arbeitet er immer mehr an seinem künstlerischen Werk und wird schliesslich von Jeanne Bucher, der berühmten Pariser Galeristin entdeckt und ausgestellt. Überwältigt vom Verkaufserfolg anlässlich der ersten Ausstellung, gibt er seinen Beruf als Physiker am Ende der 1930er-Jahre auf. Sein Schwiegervater, der Nobelpreisträger Jean Perrin, überzeugt den Maler jedoch davon, eine Dissertation im Bereich Physik zu verfassen: Die Arbeit entsteht tatsächlich und Charles Lapique entscheidet sich, Kunst und Wissenschaft zu verbinden. Schliesslich untersucht er im Rahmen der Arbeit die Funktionsweisen des menschlichen Auges im Bezug auf Farben. Im Zentrum steht die Entwicklung von Nachtsichtgeräten.
Im Krieg ist der Maler dafür verantwortlich, Tarnmuster zu entwerfen und die Farbwirkung aus der Flugzeugperspektive zu untersuchen. Pilot während dieser Untersuchungsflüge ist Antoine de Saint-Exupéry, der Schöpfer der weltweit bekannten Geschichte «Der kleine Prinz». Nach dem Krieg widmet sich der Künstler ausschliesslich der Malerei. 1953 erhält der Künstler den «Prix Raoul Dufy» auf der Biennale in Venedig; 1979 wird er mit dem «Grand prix national de peinture» ausgezeichnet. Bis 1978 seine Zeichnungen schliesslich im Centre Pompidou ausgestellt werden.
Was in der zeitgenössischen Malerei heute oftmals als selbstverständlich erachtet wird, setzt Lapique bereits vor siebzig Jahren um: Der Künstler erachtet die Malerei als Fortsetzung der Wissenschaft. Inspiriert durch seine Kenntnisse als Physiker kümmert sich Lapicque um Messverfahren des sichtbaren Lichts und Farbwahrnehmung, um die Lichtdurchlässigkeit von Blau- und Rot-Tönen oder um die Problematik von Nah- und Fernsicht. Dabei sind seine Stile stets einem Wandel unterworfen.
Die Abbildungen in dieser Geschichte fassen das Interessenspektrum des Künstlers zusammen: Von einem Gemälde im Stile des Tachismus aus den 50er-Jahren über zeitgenössisch anmutende Camouflage-Muster beim «Lion dans le désert» bis hin zu der ironisierenden Arbeit «Sorcellerie».
Objekt kaufen: