11. Feb­ru­ar 2019

Rudolf Häsler – Ein Berner Oberländer wird zum Weltbürger

Rudolf Häsler, der höch­ste aus­ländis­che Staat­sangestellte Kubas nach Ernesto «Che» Gue­vara und gle­ichzeit­ig avant­gardis­tis­ch­er Maler des Real­is­mus: Der Kün­stler gehört zu den eigen­ständig­sten Schweiz­er Kun­stschaf­fend­en des 20. Jahrhun­derts. Elet­to pro­duzierte zum Abwech­slungsre­ichen Leben des Kün­stlers sowohl einen Doku­men­tarfilm als auch eine 500-Seit­ige Kün­stler­mono­grafie. – In den 1970er-Jahren entwick­elte Häsler einen akribis­chen Real­is­mus, welch­er sich neben Werken von Franz Gertsch, Ralph Goings oder Anto­nio López Gar­cia behaupten kann. Elet­to bietet die zehn­teilige Grafik­serie «Ram­blas» an, die zu den druck­grafis­chen Hauptwerken der Pop-Art zählt.

(Foto)realist der ersten Stunde
Der New York­er Galerist Louis K. Meisel erwäh­nte 1969 erst­mals den Begriff des Foto­re­al­is­mus. Er betitelte damit eine bis zu dieser Zeit nicht dagewe­sene Art der Malerei, welche in den USA viele Kun­stver­ständi­ge ins Staunen ver­set­ze. Unwis­send über die foto­re­al­is­tis­che Bewe­gung in den USA, gelangte Rudolf Häsler auf sein­er – zu jen­er Zeit müh­seli­gen – Aus­reise aus Kuba über Mexiko in den Big Apple. «Ich musste den Weg in diese Real­ität suchen. Ich begann, die optis­chen Erschei­n­ungs­for­men zu unter­suchen, so genau wie möglich zu beobacht­en, was sich hier zeigte.». Er wurde zu einem avant­gardis­tis­chen Maler des Real­is­mus. Und dies obschon er – wie etwa auch Franz Gertsch – keine Ken­nt­nisse über die kün­st­lerischen Ten­den­zen sein­er amerikanis­ch­er Kol­le­gen hat­te. – Die schick­sal­hafte Geschichte des Kün­stlers begin­nt 1927 im Bern­er Ober­land, find­et eine Fort­set­zung in den Wüsten Afrikas und endet schliesslich mit Zwis­chen­sta­tio­nen in Kuba und Ameri­ka in Spanien…
Ein Bern­er Ober­län­der wird zum Welt­bürg­er
Rudolf Häsler ist 1927 in Inter­lak­en geboren wor­den und fasste kurz nach dem Lehrersem­i­nar den Entschluss, Kün­stler zu wer­den. Er bereiste auf aus­gedehn­ten Stu­di­en­reisen Europa und Nordafri­ka. Während eines län­geren Aufen­thaltes in Südspanien lernte Häsler die Kubaner­in Maria Dolores Sol­er ken­nen. Um die Hochzeit zu feiern, plante das frisch ver­lobte Paar, für zwei Wochen nach Kuba zu reisen. Häsler wurde Teil der Rev­o­lu­tions­be­we­gung und anschliessend höch­ster aus­ländis­ch­er Funk­tionär Fidel Cas­tros – nach dem Argen­tinier Ernesto «Che» Gue­vara. Als Direk­tor für Kun­st­gewerbe war Häsler mass­ge­blich daran beteiligt, die Ressourcen der reich­halti­gen Insel auszuschöpfen und ver­half Kuba somit zur absoluten Unab­hängigkeit von den USA.
Der «US-Spi­on in Kuba»
Je mehr sich Kuba der Sow­je­tu­nion annäherte, desto mehr ver­wässerten die anfänglichen Ide­ale der Rev­o­lu­tion. Häsler miss­fiel der streng-bürokratis­che Kurs der Regierung. Er ver­weigerte die Umset­zung absur­der Plan­forderun­gen und fiel bei der Cas­tro-Regierung in Ung­nade. Man schikanierte ihn mit willkür­lichen Durch­suchun­gen sein­er Wohn- und Arbeit­sräume und liess eine gefälschte Akte veröf­fentlichen, worin er als ehe­ma­liges Mit­glied der SS in Hitler-Deutsch­land und als aktueller CIA-Spi­on in Kuba ver­leumdet wurde. Gebeutelt von einem jahre­lan­gen bürokratis­chen Spiess­ruten­lauf, gelang es der sech­sköp­fi­gen Fam­i­lie Häsler, 1969 Kuba endgültig zu ver­lassen. Dies nur dank der Hil­fe des dama­li­gen Schweiz­er Botschafters in Havan­na, Her­rn Emil A. Stadel­hofer, der eine beson­dere Beziehung zu Fidel Cas­tro pflegte. Zwölf aufre­gende Jahre waren seit dem Antritt der Hochzeit­sreise ver­gan­gen. Nach all den Stra­pazen kehrte die Fam­i­lie zurück nach Südspanien. Häsler ver­brachte damals viel Zeit in seinem Ate­lier – sesshaft war er dadurch aber keines­falls gewor­den.
Der Weg in die neue Real­ität durch den Real­is­mus
Die Entwick­lun­gen im jun­gen kuban­is­chen Staat hat­ten in Häsler Spuren tiefer Ent­täuschung hin­ter­lassen. Er fühlte sich hin­ter­gan­gen und seine Ide­ale von den ver­meintlichen Frei­heit­skämpfern ver­rat­en. Noch in Kuba, um die Aus­reise ban­gend, begann er den West­en zu ide­al­isieren. Diesen fand er aber nicht so vor, wie er ihn in Erin­nerung hat­te. Im Kon­trast zum kom­mu­nis­tis­chen Insel­staat, schlug ihm hier der omnipräsente Kon­sum wie ein Schlag ins Gesicht. Häsler ver­ar­beit­ete diese gewalti­gen Ein­drücke in Skizzen, Far­b­analy­sen und Fotografien, welche jenen Werken als Grund­lage dien­ten, die ihn zu einem avant­gardis­tis­chen Real­is­ten macht­en.
Die Stim­mung des Lichts
Die in New York ent­stande­nen Werke zeigen wun­der­bar, mit welchem Blick Häsler die Welt sah, die während sein­er Zeit in Kuba vom Massenkon­sum gepackt wor­den war. Gekennze­ich­net durch eine unglaubliche Dichte an Motiv­en, repräsen­tieren diese Werke eine pulsierende Welt, in der Wer­be­flächen, so gross wie Fuss­ballfelder und turmho­he Leuchtschriften das tägliche Leben dik­tieren. Wie schon in Kuba, gewann für Häsler die Stim­mung des Lichts mehr und mehr an Bedeu­tung. Mit jedem Blick zeigte sich ihm eine einzi­gar­tige Licht­stim­mung, die er in seinen Gemälden einz­u­fan­gen ver­suchte. «Das explo­sive Licht Andalusiens, das milde Licht Barcelonas, das opake Licht der Schweiz oder das weisse Licht im Nor­den Marokkos – eine wahre Her­aus­forderung für jeden Maler».
Häslers kon­stru­ierte Real­ität
Häsler malte nicht bloss Fotografien ab. Seinen Gemälden lagen diverse Vorstu­di­en, Skizzen und Far­b­analy­sen zugrunde. Es ging ihm in seinem Schaf­fen nicht um eine exak­te Wieder­gabe der Wirk­lichkeit, son­dern eher um eine abstrahierte, kon­stru­ierte Real­ität, die seines Eracht­ens bess­er in der Lage ist, die Stim­mung eines Ortes zu erfassen und darzustellen.

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«Ramblas»

«Ramblas»

Rudolf Häsler, 1973–75

Hauptwerk der Pop-Art
Rudolf Häsler schuf Anfang der 1970er-Jahre ein grafis­ches Hauptwerk der Pop-Art. Rudolf Häsler ver­ar­beit­ete die gewalti­gen, vom Kon­sum geprägten Ein­drücke Amerikas bei genauer Beobach­tung der Hauptschla­gad­er Barcelonas: die Flanier­meile Ram­blas. Der Kün­stler hat in die gle­ich­namige, zehn­teilige Grafik-Serie zahlre­iche sym­bol­hafte Anek­doten ver­ar­beit­et, welche den neu aufgekomme­nen Kon­sumgeist der 70er-Jahre bestens doku­men­tieren. Die Motive sind der All­t­agskul­tur, den Massen­me­di­en und der Wer­bung ent­nom­men und schliesslich in fein­sten Radierun­gen ver­ar­beit­et. Der Deutsche Kun­sthis­torik­er Fried­helm Häring schreibt dazu: «Es ist die Skep­sis vor der urba­nen Welt mit Kon­sum und den Mod­en. Dies äussert sich erst­mals exem­plar­isch in der zehn­teili­gen Grafik­serie «Ram­blas» (1970). In der antiken Tech­nik der Radierung, welche Häsler auf Niveau der nieder­ländishen Gross­meis­ter beherrschte – und damit wohl als ein­er der tal­en­tiertesten Grafik­er des aus­ge­hen­den 20. Jahrhun­derts ange­se­hen wer­den kann–, fer­tigte er unbe­wusst ein grafis­ches Hauptwerk der Pop Art.»