Rudolf Häsler – Ein Berner Oberländer wird zum Weltbürger
Rudolf Häsler, der höchste ausländische Staatsangestellte Kubas nach Ernesto «Che» Guevara und gleichzeitig avantgardistischer Maler des Realismus: Der Künstler gehört zu den eigenständigsten Schweizer Kunstschaffenden des 20. Jahrhunderts. Eletto produzierte zum Abwechslungsreichen Leben des Künstlers sowohl einen Dokumentarfilm als auch eine 500-Seitige Künstlermonografie. – In den 1970er-Jahren entwickelte Häsler einen akribischen Realismus, welcher sich neben Werken von Franz Gertsch, Ralph Goings oder Antonio López Garcia behaupten kann. Eletto bietet die zehnteilige Grafikserie «Ramblas» an, die zu den druckgrafischen Hauptwerken der Pop-Art zählt.
(Foto)realist der ersten Stunde
Der New Yorker Galerist Louis K. Meisel erwähnte 1969 erstmals den Begriff des Fotorealismus. Er betitelte damit eine bis zu dieser Zeit nicht dagewesene Art der Malerei, welche in den USA viele Kunstverständige ins Staunen versetze. Unwissend über die fotorealistische Bewegung in den USA, gelangte Rudolf Häsler auf seiner – zu jener Zeit mühseligen – Ausreise aus Kuba über Mexiko in den Big Apple. «Ich musste den Weg in diese Realität suchen. Ich begann, die optischen Erscheinungsformen zu untersuchen, so genau wie möglich zu beobachten, was sich hier zeigte.». Er wurde zu einem avantgardistischen Maler des Realismus. Und dies obschon er – wie etwa auch Franz Gertsch – keine Kenntnisse über die künstlerischen Tendenzen seiner amerikanischer Kollegen hatte. – Die schicksalhafte Geschichte des Künstlers beginnt 1927 im Berner Oberland, findet eine Fortsetzung in den Wüsten Afrikas und endet schliesslich mit Zwischenstationen in Kuba und Amerika in Spanien…
Ein Berner Oberländer wird zum Weltbürger
Rudolf Häsler ist 1927 in Interlaken geboren worden und fasste kurz nach dem Lehrerseminar den Entschluss, Künstler zu werden. Er bereiste auf ausgedehnten Studienreisen Europa und Nordafrika. Während eines längeren Aufenthaltes in Südspanien lernte Häsler die Kubanerin Maria Dolores Soler kennen. Um die Hochzeit zu feiern, plante das frisch verlobte Paar, für zwei Wochen nach Kuba zu reisen. Häsler wurde Teil der Revolutionsbewegung und anschliessend höchster ausländischer Funktionär Fidel Castros – nach dem Argentinier Ernesto «Che» Guevara. Als Direktor für Kunstgewerbe war Häsler massgeblich daran beteiligt, die Ressourcen der reichhaltigen Insel auszuschöpfen und verhalf Kuba somit zur absoluten Unabhängigkeit von den USA.
Der «US-Spion in Kuba»
Je mehr sich Kuba der Sowjetunion annäherte, desto mehr verwässerten die anfänglichen Ideale der Revolution. Häsler missfiel der streng-bürokratische Kurs der Regierung. Er verweigerte die Umsetzung absurder Planforderungen und fiel bei der Castro-Regierung in Ungnade. Man schikanierte ihn mit willkürlichen Durchsuchungen seiner Wohn- und Arbeitsräume und liess eine gefälschte Akte veröffentlichen, worin er als ehemaliges Mitglied der SS in Hitler-Deutschland und als aktueller CIA-Spion in Kuba verleumdet wurde. Gebeutelt von einem jahrelangen bürokratischen Spiessrutenlauf, gelang es der sechsköpfigen Familie Häsler, 1969 Kuba endgültig zu verlassen. Dies nur dank der Hilfe des damaligen Schweizer Botschafters in Havanna, Herrn Emil A. Stadelhofer, der eine besondere Beziehung zu Fidel Castro pflegte. Zwölf aufregende Jahre waren seit dem Antritt der Hochzeitsreise vergangen. Nach all den Strapazen kehrte die Familie zurück nach Südspanien. Häsler verbrachte damals viel Zeit in seinem Atelier – sesshaft war er dadurch aber keinesfalls geworden.
Der Weg in die neue Realität durch den Realismus
Die Entwicklungen im jungen kubanischen Staat hatten in Häsler Spuren tiefer Enttäuschung hinterlassen. Er fühlte sich hintergangen und seine Ideale von den vermeintlichen Freiheitskämpfern verraten. Noch in Kuba, um die Ausreise bangend, begann er den Westen zu idealisieren. Diesen fand er aber nicht so vor, wie er ihn in Erinnerung hatte. Im Kontrast zum kommunistischen Inselstaat, schlug ihm hier der omnipräsente Konsum wie ein Schlag ins Gesicht. Häsler verarbeitete diese gewaltigen Eindrücke in Skizzen, Farbanalysen und Fotografien, welche jenen Werken als Grundlage dienten, die ihn zu einem avantgardistischen Realisten machten.
Die Stimmung des Lichts
Die in New York entstandenen Werke zeigen wunderbar, mit welchem Blick Häsler die Welt sah, die während seiner Zeit in Kuba vom Massenkonsum gepackt worden war. Gekennzeichnet durch eine unglaubliche Dichte an Motiven, repräsentieren diese Werke eine pulsierende Welt, in der Werbeflächen, so gross wie Fussballfelder und turmhohe Leuchtschriften das tägliche Leben diktieren. Wie schon in Kuba, gewann für Häsler die Stimmung des Lichts mehr und mehr an Bedeutung. Mit jedem Blick zeigte sich ihm eine einzigartige Lichtstimmung, die er in seinen Gemälden einzufangen versuchte. «Das explosive Licht Andalusiens, das milde Licht Barcelonas, das opake Licht der Schweiz oder das weisse Licht im Norden Marokkos – eine wahre Herausforderung für jeden Maler».
Häslers konstruierte Realität
Häsler malte nicht bloss Fotografien ab. Seinen Gemälden lagen diverse Vorstudien, Skizzen und Farbanalysen zugrunde. Es ging ihm in seinem Schaffen nicht um eine exakte Wiedergabe der Wirklichkeit, sondern eher um eine abstrahierte, konstruierte Realität, die seines Erachtens besser in der Lage ist, die Stimmung eines Ortes zu erfassen und darzustellen.
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Hauptwerk der Pop-Art
Rudolf Häsler schuf Anfang der 1970er-Jahre ein grafisches Hauptwerk der Pop-Art. Rudolf Häsler verarbeitete die gewaltigen, vom Konsum geprägten Eindrücke Amerikas bei genauer Beobachtung der Hauptschlagader Barcelonas: die Flaniermeile Ramblas. Der Künstler hat in die gleichnamige, zehnteilige Grafik-Serie zahlreiche symbolhafte Anekdoten verarbeitet, welche den neu aufgekommenen Konsumgeist der 70er-Jahre bestens dokumentieren. Die Motive sind der Alltagskultur, den Massenmedien und der Werbung entnommen und schliesslich in feinsten Radierungen verarbeitet. Der Deutsche Kunsthistoriker Friedhelm Häring schreibt dazu: «Es ist die Skepsis vor der urbanen Welt mit Konsum und den Moden. Dies äussert sich erstmals exemplarisch in der zehnteiligen Grafikserie «Ramblas» (1970). In der antiken Technik der Radierung, welche Häsler auf Niveau der niederländishen Grossmeister beherrschte – und damit wohl als einer der talentiertesten Grafiker des ausgehenden 20. Jahrhunderts angesehen werden kann–, fertigte er unbewusst ein grafisches Hauptwerk der Pop Art.»